02.05.2024 Collection Tips

Welches sind die wichtigsten Faktoren, die den Wert eines Kunstwerks bestimmen?

von Dr. Hans Jürgen Kronauer, renommierter Kunsthistoriker

Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einem Kunstwerk – vielleicht ein Gemälde, eine Skulptur oder eine Installation – und fragen sich, welchen Wert es besitzt. Dr. Hans Jürgen Kronauer, renommierter Kunsthistoriker mit langjähriger Expertise, gibt einige konkrete und faszinierende Einblicke.

Was definiert den Wert eines Kunstwerks?

Der Wert eines Kunstwerks wird durch die folgenden Faktoren bestimmt: 
- Namen und Renommee des Künstlers
- Technik und Größe der jeweiligen Arbeit
- Motiv, Werkphase und Erhaltungszustand
Der freischaffende Künstler muss sich einen Ruf verdienen und einen Namen machen. Dazu gehört üblicherweise, dass er eine Kunstakademie besucht, Meisterschüler eines angesehenen Künstlers an der Akademie wird und seine Werke bereits bei Akademie-Ausstellungen Beachtung finden. Nach der Ausbildung ist der entscheidende Schritt, eine Galerie zu finden, die selbst im Kunstmarkt einen guten Ruf genießt, sich für den Künstler engagiert, seine Werke ausstellt und erste Kontakte zu Ausstellungsinstitutionen herstellt. Finden die Werke dann auf Gruppen- und Einzelausstellungen Anerkennung sowohl bei Kunstkritikern, Ausstellungsmachern und Sammlern, wird ihnen dadurch ein künstlerischer Wert beigemessen. Der merkantile Wert der Arbeiten entwickelt sich dann entsprechend proportional.

 

Materialität des Kunstwerks

Bei zweidimensionaler Kunst ist ein Gemälde allgemein werthaltiger als eine Zeichnung, eine Zeichnung mehr wert als eine Auflagengraphik und spiegelt damit auch den zeitlichen und materiellen Aufwand, den der Künstler für die jeweiligen Arbeiten einsetzen muss, wieder. Damit einhergehend bestimmt auch die Größe der jeweiligen künstlerischen Technik den merkantilen Wert.

 

Umfangreiches Oeuvre

Hat ein Künstler bereits ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, finden möglicherweise bestimmte Motive oder Werkphasen des Künstlers bei privaten oder institutionellen Sammlern mehr Interesse als die übrigen. Die damit verbundene Selektion oder Antiselektion wirkt sich dann als weiterer wertbeeinflussender Faktor auf das einzelne Kunstwerk aus.

 

Erhaltungszustand

Eine Arbeit eines jungen Künstlers, die von einer Galerie angeboten wird, ist in dieser Hinsicht fast immer tadellos. Ältere Arbeiten, die im Kunsthandel oder auf Auktionen angeboten werden, können beschädigt oder restauriert worden sein, was zu potenziellen Wertminderungen führt. Im seriösen Kunsthandel werden solche Beschädigungen bzw. Restaurierungen deutlich benannt. Umgekehrt können fachgerechte und konservierende Restaurierungen, die die künstlerische Aussage sowie das ästhetische Erlebnis des Betrachters nicht beeinträchtigen, wertneutral bleiben oder sich sogar wertsteigernd auswirken.

 

Was sind die wichtigsten Faktoren, um einschätzen zu können, ob der Wert des Kunstwerks stimmig ist?

✔ Nachweis über die zweifelsfreie Urheberschaft. Werke der modernen Kunst sind üblicherweise signiert, bei zweidimensionaler Kunst entweder auf der Vorder- oder der Rückseite.
✔ Signaturen sind Beweiszeichen dieser Urheberschaft und können eine Urkunde sein. Bei älteren Arbeiten oder solchen von nicht zeitgenössischen Künstlern wird die Echtheit von einem Experten zugesichert. 
✔ Ist die Urheberschaft eines Werkes ungeklärt, ist es im seriösen Kunsthandel nicht verkaufbar bzw. erzielt, wenn überhaupt, nur einen marginalen merkantilen Wert. 
✔ Ob der merkantile Wertansatz dann im Einzelfall stimmig ist, richtet sich nach dem Bewertungsanlass bzw. nach der Marktsituation.
✔ Soll das Kunstwerk gekauft oder abgegeben werden, soll es versichert oder schnellstmöglich im Zuge einer Zwangsversteigerung abgestoßen werden?
✔ Gesetzt, es handelt sich um einen Neuerwerb im Kunsthandel, kann der angemessene Beschaffungswert einer bezogen auf Künstler, Technik, Entstehungszeit, Motiv und Größe vergleichbaren Arbeit anhand von Auktionspreisverzeichnissen im Internet erschlossen werden. Zudem müssen Steuern, die Käuferprovision sowie eine übliche Handelsmarge addiert werden.
✔ Für Werke von Künstlern aus der Entstehungszeit des 20. und 21. Jahrhunderts, die auf dem Sekundärmarkt der Auktionen nur selten oder gar nicht gehandelt werden, bieten sich Recherchen über KI gestützte Künstlerdatenbanken an, die über Auktionsergebnisse hinaus auch die Ausstellungshistorie, künftige Ausstellungen sowie getätigte Ankäufe von privaten und institutionellen Sammlern als Wertfaktoren in Betracht ziehen.